Dörfliches Leben und die natürliche Vielfalt
Dörfliches Leben und die natürliche Vielfalt
Geht das verloren? So schwarz sieht es noch nicht aus, aber es besteht die Gefahr. Die ersten schwerwiegenden Verluste der biologischen Vielfalt sind deutlich spürbar.
Alle klagen darüber, dass es zu wenige Insekten gibt. Warum ist das so?
Eine extra angelegte Blühwiese oder ein Blühstreifen ist für Insekten eine willkommene Nahrungsquelle. Im Sommer 2017 blühte es vor Naustadt wunderbar, viele haben dort angehalten und Fotos gemacht. Vielen Dank dem Landwirtschaftsbetrieb Schmick, auch dieses Jahr wird es dort wohl wieder so schön blühen.
Es fällt auf, dass es weniger Wildvögel gibt, die im Winter unsere Futterhäuschen besuchen.
Vor wenigen Tagen kam die Information in den Medien, dass es seit der Einführung der Zählung noch nie so wenige Wildvögel gab wie in diesem Jahr. Man soll die Vögel im Frühjahr weiter füttern, damit sie die wenigen Insekten, die sie fangen, ihren Jungen füttern können, sonst würden diese z.T. verhungern, so hab ich es gehört.
Über eine Rauchschwalbe freut man sich wie über eine Seltenheit. Warum?
In Röhrsdorf waren die Rauchschwalben in diesem Jahr am 2. April wieder da. Ich bin dankbar, dass bei unserem Getränkehandel in Röhrsdorf die Schwalben in die große Lager- und Verkaufshalleherein gelassen werden. Die ganze Halle ist vom Gezwitscher der Schwalben erfüllt. Familie Auerbach ärgert sich nicht über die kleinen Hinterlassenschaften, sondern deckt die Getränkekisten mit Pappen ab. Vielen Dank!
Schwalben benötigen Insekten. An der Flughöhe, in der sie diese jagen, kann man sehen, wie das Wetter wird. Fliegen sie hoch, wird es schön, da die Insekten bei Hochdruck sich weiter entfernt vom Erdboden aufhalten. Fliegen sie kurz über der Erde, kommt ein Tiefdruckgebiet, da fliegen die Insekten auch nur knapp über dem Erdboden und es wird bald Regen geben.
Schwalben benötigen auch einen Bach oder einen Teich in der Nähe und vor allem eine Schlammpfütze mit etwas Lehm oder Erde, um Ihre Nester zubauen.
Ja und Hühner gehören ins Dorf, aber wer hält sich schon noch Hühner? Ist es nicht normal, dass dann auch mal der Hahn kräht, um den baldigen Sonnenaufgang anzukündigen? Ich hab mich immer gefreut, wenn in der Nachbarschaft der Hahn gekräht hat. Manche stört das. Das Krähen der Hähne verstummt im Dorf.
Und was mir in diesem Frühling besonders auffiel, die Vögel brauchen geschützte Verbindungswege, Flugkorridore vom Dorf zum Wald und umgekehrt. Der Buntspecht, der bei uns im Winter am Futterhaus gewesen ist, lebt im bewaldeten Saubachtal. Wie kommt er dort hin? Er nutzt die einzige in Röhrsdorf noch existierende Obstbaumallee mit anschließender Heckenpflanzung, die die Ortslage und das Saubachtal entlang dem Wanderweg verbindet. Man könnte annehmen, Vögel fliegen so eine Entfernung von 1500 m problemlos in einem Stück. Ja, aber die Bäume bieten den Vögeln sicheren Schutz vor Sturm, Uwettern und vor Greifvögeln, nur so können sie unversehrt den Wald erreichen. Sie können Ihren Flug unterbrechen, wenn Gefahr droht. Ohne diese Bäume wäre das nicht möglich. Ich habe beobachtet, dass der Specht diesen geschützten Korridor mehrmals täglich entlang fliegt. Auch andere Vogelarten zeigen dieses Verhalten und sind dankbar über jeden Baum in der Feldflur. Auch die Straßenbäume erfüllen diese Funktion sehr gut. Wie sollen denn z.B. kleinere Wildvögel den schutzlosen, offenen Raum entlang der S 177 zwischenRöhrsdorf, Sora, Lampersdorf und Taubenheimüberwinden, um von den Linkselbischen Tälern ins Tal der kleinen Triebisch zu gelangen? Gleiches gilt natürlich auch für die anderen kleineren, freilebenden Wildtiere, die mit dieser Schutzlosigkeit große Probleme haben oder sich vollständig aus unserer Region zurückgezogen haben.
Die Verzahnung der Lebensräume in unserer Kulturlandschaft geht mehr und mehr verloren. Wir können etwas tun. Lebensräume vernetzen. Hecken in der offenen Feldflur sind wichtig, es gibt nur wenige. Diese Hecken benötigen auch etwas Raum, darum sollte man einvernehmlich mit den Feldnachbarn eine Hecke so anlegen, dass sie auch in die Breite wachsen darf. Eine wirklich ökologisch wertvolle Hecke benötigt 6-7m Breite. In der sogenannten Verkrautungszone wachsen Kräuter, die nicht als Unkraut bezeichnet werden sollen. Dieser wichtigeLebensraum mit den im Winter trockenen Samenständen der Kräuter sindeine wertvolle Futterreserve für die Tiere. Auch Hecken, die unvermittelt im Acker enden, erfüllen die Funktion der Vernetzung nicht ausreichend. Sie sind so etwas wie Sackgassen oder Inselnfür die Tiere.
Bäume brauchen Räume, in denen sie sich entwickeln können. Dabei sind Straßenbäume etwas Besonderes und man staunt, mit wie wenig Platz sie auskommen müssen. Trotzdem sollte man darauf achten, dass die Wurzeln bei der Bewirtschaftung der Felder nicht beschädigt werden. Vor der Anpflanzung der neuen Obstbäume entlang des oben genannten Wanderweges war seitens des Landeigentümers, dem Pfarrlehn zu Röhrsdorf,mit dem Pächter, Landwirtschaftsbetrieb Partzsch, zu klären und sicher zu stellen, dass vom Stamm der Bäume bis zum Acker ein Wiesenstreifen von 2m belassen wird. Der Pächter zahlt für den Wiesenstreifennatürlich keine Pacht.
Es ist ungerecht, allein den Landwirten, den Bewirtschaftern alle Fehlentwicklungen anzulasten. Die Landeigentümer sind genauso in der Pflicht, sich zu erkundigen, wie das Land bewirtschaftet wird. Sie können sehr wohl mit dem Pächter abstimmen, welche kleineren Teilflächen aus der Pachtzahlung herausgenommen werden sollen, um zum Beispiel den Bäumen und Hecken entlang der Wege oder Straßen genügend Raum zugeben. Das ist oft nicht leicht, weil man sich bewusst dafür entscheiden muss, auf einige Euro Pacht zu verzichten. Und beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.... Nur, wenn wir so weiter wirtschaften und leben und alles so belassen, werden die Schäden so dramatisch sein, dass selbst das viele Geld nicht mehr helfen kann.
Wer kann das ändern? Jeder kann mittun, dort wo er Verantwortung trägt. Die Gemeindeverwaltung kann die Vernetzung von Lebensräumen bewusst gestalten. Die Landeigentümer vor allem aber auch die Landwirte, die Straßenmeisterei, die Kleingärtner und die, die ihren Hausgarten bewirtschaften, können etwas tun, was uns gemeinsam weiterbringt.
Jeder kann mit seinem Eigentum Gutes tun - für sich und für andere. Es darf in der Zukunft nicht ausschließlich um Optimierung von Erträgen und Gewinn gehen. Es kann auch nicht ein ständiges Wachstum geben. Wo soll das hinführen? Gut zu wirtschaften, mit den uns anvertrauten Gütern, so dass auch die Nachfahren davon leben können, das soll unsere Gedanken, unser Planen und Sinnen bestimmen.
Aber es geht nur gemeinsam, wenn wir unsere Dörfer und die dörflichen Strukturen so erhalten wollen, dass sie als solche erlebbar bleiben. Die vielen Gäste und Besucher, die von außerhalb hierherkommen, sind begeistert, wie schön es in unseren Dörfern und den vielen Ortsteilen der großen Gemeinde Klipphausen ist. Diesen Schatz gilt es zu erhalten und zu bewahren. Dabei wird sich auch so manches verändern – oder weiterentwickeln müssen, damit die Lebensqualität erhalten bleibt.
Christoph Rechenberg, Röhrsdorf im Mai 2018
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