Zeitfenster 2 - Die Besatzer verbreiteten Angst und Schrecken
Nachdem also Napoleon bei Großgörschen südwestlich von Leipzig zwischen Pegau und Lützen siegreich war, wurden unsere Dörfer besonders schweren Belastungen ausgesetzt. Furcht und Schrecken verbreiteten die Kosaken auf dem Rückzug. Sie misshandelten den Tanneberger Pfarrer, der wohl als einziger in Treue zu seinem Amt nicht geflohen war. Es mangelte an Disziplin.
Bedingt durch die enttäuschte Hoffnung, dass die Sachsen sich der Allianz gegen Napoleon anschließen würden, kam es allenthalben zu Übergriffen, denn sie betrachteten Sachsen als Feindesland.
Am 5. Mai 1813 entwickelte sich ein kleines Gefecht zwischen dem Triebischtal und der Gegend um Limbach. Die Russen und der General Miloradowitsch hatten sich auf der rechten Seite des Triebischtales festgesetzt und wurden von den nachrückenden Franzosen attackiert. Vier Stunden lang brüllten die Kanonen auf beiden Seiten, etwa einen Kilometer von Blankenstein entfernt. Danach wälzten sich Napoleons Kolonnen an mehreren Punkten über das Tal hinüber nach Blankenstein.
Die Russen hinterließen außer Trinkwasser und wenigen Resten von Kartoffeln nichts. Die Not der Einwohner stieg ins Unermessliche. Limbachs und Tannebergs Einwohner waren am 5. Mai Richtung Freiberg geflohen. Alte Frauen wurden auf Schubkarren geschoben und schreiende Kinder in Körben getragen.
Im Pfarrhaus in Limbach war alles verwüstet, alle Truhen und Schränke aufgebrochen, sämtliches Glas und Geschirr zerschlagen, ein Teil der Bücher verschwunden und zerrissen. Das Hauptquartier der Franzosen war am 6. /7. Mai in Etzdorf; am 7./ 8. Mai übernachtete Napoleon auf Schloss Nossen.
Über 40.000 Franzosen lagerten an diesen Tagen in Tanneberg. Allein im Rittergut, wo der Stiefsohn Napoleons, der Vize-König von Italien, Eugen de Beauharnais Quartier genommen hatte, wurden über 100 Schafe und eben so viele Kühe geschlachtet. Korn, Hafer, Heu und Stroh waren nahezu vollständig aus den Scheunen geholt worden. Ähnlich erging es allen anderen Gütern, jedoch ist kein Haus abgebrannt worden.
Wie ernst die Lage war und wie begründet die Flucht, zeigt ein Vorfall in Sora, wo am 8. Mai 1813 der Gutsbesitzer Tamme von einem Angehörigen der italienischen Seeartillerie erschossen wurde, „weil er ihm kein Brot mehr geben konnte“.
Die Grabinschrift lautet:
'Johann Gottlieb Tamme, Gutsbesitzer und Kirchenvorsteher in Sora,
geboren den 12ten Januar 1779, wurde den 8ten Mai 1813,
durch die feindliche Kugel eines Italieners in seinem Garten erschossen,
in seinem 35ten Lebensjahre.'
Das Requirieren und Fouragieren nahm ungeheuerliche Ausmaße an. In Röhrsdorf gelang es am 9. Mai Pfarrer Stöckhardt, mit einem Fässchen Rotwein und einem Rhinozeros-Pfeifenkopf als Geschenk einem Franzosen die wertvollen Klipphausener Merino-Herden wieder abzunehmen, die dieser hatte wegtreiben lassen. Am 11. Mai, so schreibt Stöckhardt, war der Tag der großen Ravage und Pfarrvisitation. Das heißt, alles Essbare wurde in Beschlag genommen. Wie auf dem Jahrmarkt von Bude zu Bude seien die Franzosen von Kammer zu Kammer, bald einzeln, bald gedrängt gegangen, haben alles durchsucht und auch so manches, das nicht zu den Lebensmitteln zählte, mitgenommen. Dies geschah, obwohl Plünderungen untersagt waren. Am 12. Mai wurde ein französischer Offizier mit unentdeckt gebliebenen Vorräten bewirtet, er hielt dafür seine schützende Hand über das Haus. Die Angst war um so größer, als man erfuhr, dass hier der Mörder von Bauer Tamme aus Sora mit seinen Komplizen übernachtet hatte.
Der Pfarrer beschreibt einen anderen Soldaten als „ wahren Schreckensmann, einen echten Terroristen“, dem er das in Röhrsdorf erpresste Geld in französische Währung umrechnen musste. Er war ein Pariser Gassenjunge, der bis zum 14. Lebensjahr alle Gräueltaten der französischen Revolution miterlebt hatte und nun schon 22 Jahre als Soldat im Krieg diente. Er konnte kein Wort lesen und schreiben, seine Religion war: „Mein Pferd ist mein Kamerad, mein Säbel mein Retter“. Dieser Wüterich war zugleich der Beschützer des mit Flüchtlingen vollgestopften Pfarrhauses, mit dem Säbel gebot er zwei mal Tumulten Einhalt. Er kam auf den Pfarrhof gesprengt, bedrohte den Pfarrer mit der Pistole in der rechten und dem geschwungenen Säbel in der linken Hand. Mit Tränen in den Augen behielt der Pfarrer trotzdem die Fassung und streckte ihm zum Willkommen die Hand entgegen mit den Worten: „mutiger Franzose . . . ihr seid ein großer Mann (er war ein Riese) beschütze uns“. Zum Glück sprach Pfarrer Stöckhardt perfekt französisch. Der Soldat grinste und lachte, steckte Pistole und Säbel ein, forderte Branntwein, trank und schlief bis zum Morgen. Vor dem Abmarsch lehrte er die Frau des Pfarrers noch, eine französische Suppe zu kochen. Ab dem 15. Mai trat dann, nach dem Rückzug der Alliierten in die Oberlausitz, etwas Ruhe ein. Am 20./21. Mai fand die Schlacht bei Bautzen mit einem knappen Sieg für Napoleon statt. Die Preußen unter Blücher zogen sich nach Schlesien zurück. Der Dresdner Raum blieb in dieser Zeit schwach besetzt.